Diese Forderungen richten sich an den Stadtrat der Stadt Rosenheim, den Oberbürgermeister sowie alle auf sie folgenden Bürgermeister*innen und zukünftigen Stadträte.
Als überparteiliche Bewegung sprechen wir hiermit jede Partei, jede*n Vertreter*in einer Partei, Abgeordnete des Stadtrates sowie die hauptamtlichen Stadtratsmitglieder an.
Außerdem richten wir uns an alle Vereinigungen, Bewegungen und politisch Interessierte, die in Rosenheim aktiv sind.
Präambel
Die Klimakrise stellt die größte Bedrohung für Menschheit und Ökosysteme im 21. Jahrhundert dar. Die aus der Klimaerhitzung resultierenden Folgen, wie die Häufung extremer Wetterereignisse
und das Artensterben, stellen bereits heute reale Bedrohungen für uns alle dar. Deutschland hat einen weit überproportionalen Pro-Kopf-Ausstoß an Treibhausgasen und zählt
damit – neben anderen gro- ßen Industriestaaten – zu den Hauptverursachern der Klimakrise.
Mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens haben sich fast alle internationalen Akteure zur Einhaltung des 1,5°-Limits verpflichtet – auch Deutschland. Um dieses mit einer
gewissen Wahr- scheinlichkeit einzuhalten, darf nach 2014 weltweit nur noch eine begrenzte Menge CO2 ausgestoßen werden. Wenn dieses CO2-Budget fair über die gesamte Weltbevölkerung
verteilt wird, müssen die reichen Länder und Kommunen entsprechend konsequent handeln und den CO2 Ausstoß stärker be- grenzen, da sie zum einen die Krise maßgeblich verursacht haben, zum
anderen die Mittel besitzen, um Lösungsstrategien energisch voranzutreiben und als Vorbild zu fungieren. Dafür ist eine konse- quente Umsetzung der bundesweiten FFF-Forderungen notwendig.
Die Bundesregierung hat im "Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Kli- mawandel" folgendes veröffentlicht: "Das Jahresmittel der Lufttemperatur ist im Flächenmittel
von Deutschland von 1881 bis 2018 statistisch gesichert um 1,5 °C angestiegen." (S. 19, Monitoringbe- richt 2019 zur DAS). Die Klimaerhitzung in Deutschland schreitet weiter voran. Das 1,5°-Limit
des Ab- kommens von Paris ist auf Deutschland bezogen inzwischen bereits überschritten.
Wir betonen, dass gerade auch Kommunalpolitiker*innen den Klimaschutz auf allen politischen Ebe- nen mit größter Entschlossenheit vorantreiben müssen. Ein nachhaltiger Umgang mit unserem Plane-
ten und seinen Ökosystemen muss Teil unserer Gesellschaft, unserer Kultur, unserer Wissenschaft und unserer Wirtschaft werden. Daher fordern wir die Stadt Rosenheim auf, deutliche Maßnahmen zu
ergreifen, die in enger Zusammenarbeit mit der Wissenschaft erarbeitet sind. Da die Folgen der Klimaerhitzung fundamental ungerecht sind, kann die Sozialverträglichkeit der Lösungen auf keinen
Fall hintangestellt werden. Nur so lässt sich die Lebensgrundlage künftiger Generationen nach Artikel 20a Grundgesetz schützen.
Rosenheim war sich der Notwendigkeit effektiver Klimaschutzmaßnahmen bewusst und veranlasste die Erstellung eines Klimaschutzkonzeptes (2012). Darin ist eine Reduzierung der CO2-Emissionen um
40% bis 2025 geplant, das Erreichen der Nettonull bis 2035 vorgesehen. In den letzten 7(!) Jahren wurden keine Maßnahmen ergriffen, die das Erreichen dieser selbst gesetzten Ziele auch nur annä-
hernd wahrscheinlich machen.
Wir fordern daher eine verpflichtende Kontrolle der Umsetzung durch einen Klimarat.
Antrag 1
Wir fordern die Ausrufung des Klimanotstands für Rosenheim
Im Dezember 2019 gab es einen Antrag der Grünen Rosenheim an den Stadtrat mit der Forderung, in Rosenheim den Klimanotstand auszurufen und jede zukünftige Maßnahme des Stadtrats auf ihre
Klimafreundlichkeit hin zu prüfen. Diese Initiative begrüßten und unterstützten wir mit zahlreicher Anwesenheit in der betreffenden Sitzung, stellt sie doch einen Kernpunkt unserer Forderungen
dar. Zwar wurde die Ausarbeitung eines Maßnahmenpaketes verabschiedet, die sehr anschauliche und transparente „Postkartenlösung“ der Klimaprüfung und der Begriff Klimanotstand jedoch
abgelehnt. Dieses Ergebnis reicht uns nicht! Die Vergangenheit zeigte überdeutlich, dass beschlossene Maßnahmen nicht zwangsläufig umgesetzt werden.
Die Ausrufung des Klimanotstands ist nicht nur eine Entscheidung mit Signalwirkung und ein Bekenntnis zur Zukunft junger Menschen, sondern bildet die Grundlage, um Klimaschutzmaßnahmen in
Rosenheim schneller umzusetzen und dafür benötigte Geldmittel umzuwidmen. Die permanente Überprüfung aller Entscheidungen schafft Transparenz.
Deshalb fordern wir weiterhin explizit:
- Der Rosenheimer Stadtrat erklärt den Klimanotstand und erkennt damit die Eindämmung des Klimawandels und seiner schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von
höchster Priorität an.
- Der Rosenheimer Stadtrat wird die Auswirkungen auf das Klima sowie die ökologische, gesellschaft- liche und ökonomische Nachhaltigkeit bei jeglichen davon
betroffenen Geschäften berücksichtigen und jene Geschäfte prioritär behandeln, welche den Klimawandel oder dessen Folgen abschwächen. • Der Rosenheimer Stadtrat orientiert sich für
zukünftige Maßnahmen zur Bekämpfung der Klima- erhitzung an den Berichten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), insbesondere in Bezug auf Investitionen zur Reduktion von
Treibhausgas-Emissionen.
- Der Rosenheimer Stadtrat sorgt für eine umfassende Information der Bevölkerung über die Klima- krise, ihre Ursachen und Auswirkungen sowie über die
Maßnahmen, die zur Abmilderung ergriffen werden. Jede Entscheidung wird auf ihre Klimarelevanz und positive oder negative Auswirkungen überprüft und das Ergebnis veröffentlicht.
- Der Rosenheimer Stadtrat wirbt aktiv auf Landes-, Bundes- und internationaler Ebene für die Ein- haltung des 1,5-Grad-Ziels.
Setzen Sie mit der Ausrufung des Klimanotstands ein Signal gegen die Klimakrise und für unsere Zukunft – wie es bereits über 70 deutsche Städte und Kommunen getan haben.
Antrag 2
Wir fordern die Umsetzung folgender Maßnahmen:
- Wir fordern die zeitnahe Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes von 2012 mit Anpassung an die derzeitigen technischen Möglichkeiten und Notwendigkeiten.
- Da die Bedrohungen durch die Klimakrise weiter zunehmen statt abnehmen, ist eine entsprechend energischere Wende nötig als 2012 geplant. Wir fordern daher für
Rosenheim, das Ziel Null Emissionen bis 2030 zu erreichen.
- Wir fordern die halbjährliche Veröffentlichung und Evaluation von Fortschrittsberichten.
- Wir bestehen auf der Einrichtung eines Stadtklimarates Rosenheim, der die Verabschiedung und Einhaltung aller Klimaziele überwacht und bewertet und zu den
Fortschrittsberichten Stellung bezieht.
- Wir fordern ambitionierte Investitionen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Der Aspekt der Sozialverträglichkeit muss dabei einen besonderen Stellenwert
einnehmen. Die Wirtschaftspolitik muss sich in Zukunft nicht an betriebswirtschaftlichen, sondern an volkswirtschaftlichen Dimensionen und dem Gemeinwohl orientieren.
- Kooperationen mit Klimaschutz- und Umweltschutzorganisationen sollen intensiviert werden. Rosenheim muss als Klimabündnisgemeinde sichtbar werden und
entsprechend verantwortungsvoll handeln.
Die dafür notwendigen Maßnahmen erstrecken sich auf folgende Bereiche: Energie, Stadtplanung/Bau, Mobilität, Ernährung, Abfall/Ressourcen
Energieversorgung: Erneuerbare Energien
Regionale Energieversorgung erhöht die regionale Wertschöpfung, stärkt innerregionale Kreisläufe, macht unabhängig von globalen, konfliktträchtigen Strukturen und steigert die regionale
Kaufkraft. Deshalb fordern wir:
- Endlich konsequente und unverzügliche Umsetzung des Klimaschutzkonzepts vom August 2012 im Bereich erneuerbarer Energien
- Großzügiger Ausbau und Förderung erneuerbarer Erzeugungskapazitäten (z. B. Solaranlagen auf Dächern von Discountern, Schulen, Hallen, öffentlichen Gebäuden
etc.); in dem Zusammenhang Ausführung des Stadtratsbeschlusses von 2012, alle städtischen Liegenschaften, Alt- wie Neubauten, mit Solarstromanlagen auszustatten
- Baugenehmigung für Neubauten nur mit Passivhausstandard
- Förderung der Möglichkeiten für Mieter, günstigen Strom aus erneuerbaren Quellen zu nutzen (entsprechende Kooperationen für Wohnbaugesellschaften,
Stromsparprämie wie in München – Cool City etc.)
- Verzicht auf fossile Energien im Müllheizkraftwerk Rosenheim Stadtplanung und Gebäude
- Steigerung der Sanierungsrate bestehender Gebäude; dabei sollen die aktuell höchstmöglichen Energieeffizienzstandards gelten.
- Für Neubauten soll gelten: Passivhausstandard; nachhaltige Rohstoffe; Verbot von Holzheizungen, da ein Produzieren vor Ort der benötigten Holzkapazitäten nicht
mehr möglich ist
- Die Erstellung von Dekarbonisierungs- bzw. Energiekonzepten wird elementarer Bestandteil der Bauleitplanung und bei der Umsetzung von städtebaulichen
Wettbewerben.
- Regenwassernutzungsanlagen verpflichtend bei Neubauten und soweit möglich bei Sanierung (gleichzeitig Entlastung der Grundwasserversorgung und
Bewässerungsmöglichkeit in Trockenperioden).
- Erhöhung des Anteils an Grünflächen, Versiegelungsbeschränkung: Wir fordern die Einrichtung von Stadtgärten, Blühflächen, Fassaden- und Dachbegrünung
nach Möglichkeit mit essbaren Pflanzen (Prinzip der Ernährungssouveränität), naturnahe Spielplätze und eine Erhöhung des Baumbestandes in der Innenstadt, um die zentralen Plätze auch in
Zeiten der Klimakrise lebenswert zu halten (Max-Josephs-Platz, Ludwigsplatz); Erhaltung und Förderung von Gemeinschaftsgartenprojekten; keine weitere unmotivierte Rodung alter und großer Bäume
mehr, wie am Südtiroler Platz geschehen.
- Förderung lokaler, ökologischer und bäuerlicher Vertriebsstrukturen in der Stadt, Förderung des Einzelhandels – derzeit kein Biomarkt in der
Innenstadt, wenig Möglichkeit, am Markt einzukaufen, keine Stadtgärtnerei o.ä.
- Verzicht auf Erschließung neuer Stadtteile oder Industrie-Gewerbegebiete auf Grün- oder Waldflächen (Flächenversiegelung).
Mobilität
Mobilität ist eine wichtige Errungenschaft. Sie muss so gestaltet werden, dass die Stadt dadurch attraktiver und lebenswerter wird. Der in einer Stadt nur begrenzt vorhandene Raum muss sinnvoll
aufgeteilt werden. Auch dabei muss Klimafreundlichkeit oberster Maßstab sein. Mobilität muss auch für schwächere Verkehrsteilnehmer (Radfahrer, Fußgänger) sicher möglich sein. Die
Umgestaltung muss sozialverträglich erfolgen. Deshalb fordern wir:
- Erstellung eines Mobilitätskonzeptes für die Stadt Rosenheim, das günstige, klimafreundliche und attraktive Alternativen zum motorisierten Individualverkehr schafft; dabei müssen
erfolgreiche Konzepte anderer Städte (international) berücksichtigt und Experten miteinbezogen werden.
- Ausbau des Radverkehrs gemäß den Forderungen des Radentscheid Rosenheim; der Ausbau darf nicht zu Lasten von Fußgängern, ÖPNV und Stadtgrün gehen
- Ab 2025 sollen nur noch CO2-emmissionsfreie Fahrzeuge im Stadtgebiet fahren dürfen.
- Weitgehend autofreie Innenstadt, damit der begrenzte Raum von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln genutzt wird. Von dieser Regelung ausgeschlossen bleiben Rettungsfahrzeuge, Fahrzeuge für
Menschen mit Behinderungen und Senior*innen sowie Lieferwägen und Busse des ÖPNV.
- Angemessene Parkgebühren (deutliche Erhöhung), keine kostenlosen Parkplätze und Kurzzeitparkzonen in der Innenstadt. Parkflächen an den Straßen müssen stark begrenzt werden, da diese zum
einen Gefahrenzonen aufgrund von Unübersichtlichkeit schaffen und zum anderen der entstehende Platz wieder den Stadtbewohnern und Besuchern zur Verfügung steht.
- Umfassender Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs; sinnvolle Streckenführung, attraktive Wartehäuschen, einfache Preisgestaltung, Pauschaltickets (365€ für den Landkreis, entsprechend
günstiger für die Stadt), tagsüber 20-Minuten-Takt; kostenloses Ticket für alle Schüler*innen unabhängig von der Länge des Anfahrtsweges
- Keine Anschaffung von fossil betriebenen Fahrzeugen im öffentlichen Nahverkehr • Vernetzung des Nahverkehrs, Zusammenarbeit mit den Landkreisstellen
- Fahrrad-Parkhäuser um die Kombinierbarkeit von Fahrrad und öffentlichem Nahverkehr zu gewährleisten
- Förderung von Mobilitätsleistungen wie Carsharing, Fahrradleihsystemen und Mitfahrvermittlungen; Einführung städtischer Lastenfahrräder zum Verleih
- Förderung bei der Anschaffung von E-Bikes und Lastenrädern (Beispiel München: Dort erhöht sich die Förderung bei Verzicht auf ein Auto)
Ernährung
- Ermöglichen von Containern oder idealerweise eine verantwortungsvolle Sammlung von weggeworfener, noch essbarer Nahrung
- Erhebung von nennenswerten Gebühren für Entsorgung von Lebensmitteln, insbesondere für Gastronomie und Einzelhandel.
- Entfallen der Gebühren bei Unterstützung des Foodsharing-Projekts in Rosenheim. • Förderung von regionalen Erzeugermärkten und von fairen, regionalen Läden
- Unterstützung von Bio-Bauern, z.B. in Form von Förderung für 'Bio-Bauern-Wochenmarkt', oder Förderung von Partnerschaften mit dem lokalen/regionalen Lebensmitteleinzelhandel
- Erhöhung des Anteils an vegetarischen und veganen Gerichten in allen städtischen Verpflegungseinrichtungen mit zusätzlichem vegetarischen/veganen Tag (z.B. Kitas, Schulen, Kantinen der
Ämter). Ein deutlich höherer Anteil bio-zertifizierter Produkte auf der Wiesn, orientiert an den Forderungen des Aktionsbündnis Artgerecht und in kommunalen Einrichtungen Ressourcenverbrauch
und Abfall
- Verpackungsfreie Zonen in den normalen Supermärkten, klare Regelungen und Bewerben von verpackungsfreiem Einkauf an der Theke
- Klares Recyclingkonzept, das auch gut kommuniziert wird. Offenlegen der Ergebnisse, Mülltransparenz; die Recyclingquote im Stadtgebiet soll ab 2030 bei mindestens 90% liegen (Zero-
Waste-Politik). Dabei sollte Export von gesammelten Gütern in andere Länder zum vermeintlichen Recycling ausgeschlossen sein, wenn das Recycling nicht lückenlos vor Ort geprüft und
dokumentiert wird, inklusive der Sozial- und Gesundheitsstandards in den Recyclingbetrieben.
- Weitgehender Verzicht auf Einwegplastik • Förderung von Mehrwegsystemen
- Vermeidung von Papierabfall (Aktionen/Kampagnen in städtischen Einrichtungen), verpflichtende Benutzung von Umweltschutzpapier und entsprechenden Druckerpatronen
- Kein Feuerwerk mehr bei Wiesn, Sommerfestival und an Silvester (Lasershow als Ersatz)
Antrag 3
Gemäß UN-Kinderrechtskonvention und deutschem Gesetz haben Kinder und Jugendliche das Recht, gehört zu werden. Wir fordern effektive Mitbestimmungsmöglichkeiten von Jugendlichen in der
Stadtpolitik. Viele Entscheidungen (beispielsweise in Bezug auf die Verkehrsplanung) betreffen sie hochgradig, ohne dass sie bis jetzt die Möglichkeit haben, ihre Interessen wirksam zu
vertreten. (Beispiel: Beim Radentscheid zählen ihre Stimmen nicht für das Bürgerbegehren)
Daher fordern wir:
- Die Stadtratsmitglieder sollen sich in den Parteien für das Wahlrecht ab 16 Jahren einsetzen und alle Möglichkeiten nutzen, dieses möglichst bald landesweit zu verwirklichen.
- Bildung eines Jugendrates, der zu allen Themen, die auch Jugendliche betreffen, gehört und dessen Argumentation in die Entscheidungsfindung miteinbezogen wird.